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Legal News
11. September 2024

Achtung Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder: Drohende Disqualifikation bei strafrechtlicher Verurteilung

Übersicht. Seit Anfang 2024 haben die österreichischen Firmenbuchgerichte bei Anmeldungen von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern amtswegig mittels einer automationsunterstützten Abfrage aus dem Strafregister (und allenfalls aus dem Europäischen System der Registervernetzung „BRIS“) zu prüfen, ob bei der als Vertretungsorgan angemeldeten Person ein Eintragungshindernis aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung („Disqualifikation“) vorliegt. Disqualifizierte Personen dürfen für die Dauer von drei Jahren nicht Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied werden oder bleiben. Diese Novelle geht auf eine EU-Richtlinie zurück, welche durch das Gesellschaftsrechtliche Digitalisierungsgesetz 2023 (GesDigG 2023) in österreichisches Recht umgesetzt wurde.

Von Disqualifikation betroffene Organe. Die neue Regelung gilt für Geschäftsführer einer GmbH und FlexCo (§ 15 Abs 1a und 1b GmbHG bzw § 1 Abs 2 FlexKapGG) und für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft (§ 75 Abs 2a, 2b und 2c AktG) und Genossenschaft (§ 15 Abs 2a, 2b und 2c GenG).

Disqualifikation nur bei Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle. „Disqualifiziert“ ist als oben genanntes Organmitglied, wer wegen der im Gesetz taxativ aufgelisteten strafrechtlichen Tatbestände zu einer mindestens sechsmonatigen (bedingten oder unbedingten) Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt wurde. Die Regelungen sind auf Verurteilungen anzuwenden, deren Rechtskraft nach dem 31.12.2023 eingetreten ist. Unter bestimmten Voraussetzungen (wenn aus spezial- oder generalpräventiven Gründen nichts dagegen spricht) kann die Rechtsfolge der Disqualifikation vom Strafgericht bedingt nachgesehen werden. Neben Verurteilungen von einem inländischen Gericht wegen eines der genannten Delikte tritt die Disqualifikation auch durch die Verurteilung wegen einer vergleichbaren strafbaren Handlung durch ein ausländisches Gericht ein.

Klassische Wirtschaftsdelikte relevant. Zu den Delikten, welche zu einer Disqualifikation führen können, zählen gemäß § 15 Abs 1a GmbHG und § 75 Abs 2a AktG klassische Wirtschaftsstraftaten, wobei ein sachlicher Konnex zur Geschäftsführer- bzw Vorstandstätigkeit nicht erforderlich sein muss. Die relevanten Delikte umfassen unter anderem Betrug (§ 146 StGB), Untreue (§ 153 StGB), betrügerische Krida (§ 156 StGB), organisierte Schwarzarbeit (§ 153e StGB), grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB), Förderungsmissbrauch (§ 153b StGB), Geldwäscherei (§ 165 StGB), Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren (§ 168b StGB) oder etwa Abgabenbetrug (§ 39 FinStrG).

Wirkung und zeitliche Befristung der Disqualifikation. Die Rechtsfolge der Disqualifikation tritt ex lege ein. Ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Verurteilung liegt ein materielles Hindernis für die Bestellung zum Geschäftsführer bzw Vorstand oder die weitere Ausübung dieser Funktion vor. Disqualifizierte Personen dürfen also nicht Geschäftsführer bzw Vorstand werden oder bleiben. Die Rechtsfolge der Disqualifikation ist zeitlich befristet und endet drei Jahre nach Rechtskraft der Verurteilung. Liegt die Rechtskraft der Verurteilung mehr als drei Jahre zurück, erlischt die Disqualifikation und die verurteilte Person darf wieder zum Vertretungsorgan bestellt werden.

Praxistipp: Nachweis der Nicht-Disqualifikation bei Neubestellung. Ob eine Disqualifikation vorliegt, ist grundsätzlich (wie oben bereits dargelegt) vom Firmenbuchgericht amtswegig zu ermitteln. In der Praxis wird diese Vorgabe jedoch nicht immer einheitlich gehandhabt. Insbesondere kann eine beantragte Firmenbucheintragung von bestellten Organmitgliedern mit Auslandsbezug zu Zeitverzögerungen führen. Bei Neubestellungen von Organmitgliedern hat sich daher bewährt, eine entsprechende eidesstattliche Erklärung des bestellten Geschäftsführers oder Vorstandsmitglieds dem Firmenbuchgericht vorzulegen. In einer solchen Erklärung bestätigt das Vertretungsorgan, weder von einem inländischen Gericht noch von einem ausländischen Gericht rechtskräftig zu einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe hinsichtlich der einschlägigen Tatbestände verurteilt worden zu sein.

Meldung bei Verurteilung. Bei jeder Verurteilung durch ein inländisches Gericht, welche eine Disqualifikation auslöst, hat dieses das für die Gesellschaft zuständige Firmenbuchgericht automationsunterstützt von der Verurteilung des betreffenden Organmitglieds zu verständigen. Diesfalls hat das Firmenbuchgericht die Gesellschaft aufzufordern, unverzüglich die disqualifizierte Person als Vertretungsorgan abzuberufen und – wenn dies erforderlich ist (z.B. weil der disqualifizierte zugleich der einzige Geschäftsführer ist) – für einen anderen Vertreter zu sorgen. Kommt die Gesellschaft dieser Aufforderung nicht fristgerecht nach, so ist die disqualifizierte Person zum Schutz des Rechtsverkehrs und zur Bereinigung des Firmenbuchs amtswegig zu löschen.

Rücktritt / Abberufung aus wichtigem Grund. Ein bereits bestellter Geschäftsführer oder Vorstand, der disqualifiziert wird, muss unverzüglich seinen Rücktritt erklären. Tritt das Vertretungsorgan entgegen dieser Verpflichtung nicht von sich aus zurück, so kann seine Disqualifikation auch als wichtiger Grund für eine Abberufung herangezogen werden.

 Fazit. Durch die Novelle kommt es für bestehende und künftige Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder zu einer bedeutenden Änderung in der Praxis. Die Ausübungsschranke ist im öffentlichen Interesse und dem damit einhergehenden Schutz des Geschäftsverkehrs zu begrüßen. Für Geschäftsführer und Vorstände, die in einem Strafverfahren als Beschuldigte geführt werden, droht nunmehr jedoch – neben der persönlichen Strafbarkeit – bei einer entsprechend qualifizierten Verurteilung auch die zwingende Abberufung als Vertretungsorgan.