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Legal News
5. September 2017

OGH-Entscheidungen zum Thema Negativzinsen: Aufschlag als Mindestsollzinssatz gesetzeswidrig

Zur heftig diskutierten Thematik der Negativzinsen beim (Verbraucher)Kreditvertrag sind seit dem Frühjahr sechs Entscheidungen des OGH ergangen. Aufgrund der Entwicklung der Finanzmärkte stellt sich die Frage, ob es bei Kreditverträgen, die Banken mit ihren Kunden abgeschlossen haben, Negativzinsen geben kann. Der OGH gelangt dabei zum Ergebnis, dass bei entsprechendem Indikatorverlauf der vom Kreditnehmer zu zahlende vertraglich vereinbarte Sollzinssatz bis auf 0% von der Bank gesenkt werden muss. Eine Zinszahlungspflicht der Bank wird hingegen für den Regelfall verneint.

 

Hintergrund Banken und Kreditnehmer haben bei variabel verzinsten Kreditverträgen Zinsgleitklauseln vereinbart. Der vertraglich vereinbarte Sollzinssatz setzt sich dabei aus einem veränderlichen Indikator für die Refinanzierung (wie derzeit bei Fremdwährungskrediten aus dem 3-Monats-Libor, bspw. bei Schweizer Franken aus dem 3-Monats-CHF-Libor und bei EUR-Krediten häufig aus dem 3-Monats-Euribor) und einem unveränderlichen Aufschlag („Marge“), bspw. 1,25% zusammen. Der Zinssatz verändert sich daher entsprechend der Veränderung des Indikators. Im Dezember 2014 (Libor) und im Mai 2015 (Euribor) rutschten diese Indikatoren ins Negative (bspw. -0,73).
 
Reaktion der Banken  Aufgrund der negativen Entwicklung der Indikatoren setzten die Banken einseitig den Referenzzinssatz (Indikator) mit 0 an, sodass der Kreditnehmer zumindest zur Zahlung der Marge als Mindestsollzinssatz verpflichtet war. Demnach hätte bspw. bei einer Marge von 1,5% und einem Indikator von -0,73% der Kreditnehmer einen Sollzinssatz von 1,5% zu zahlen (4 Ob 60/17b; 8 Ob 107/16t). In jüngeren Kreditverträgen wurde vorab im Rahmen einer Zinsgleitklausel der Aufschlag als Mindestsollzinssatz vereinbart (4 Ob 107/17i).
 
Verschiedene Auffassungen Zur Frage, wie sich die negative Indikatorentwicklung auf Zinsgleitklauseln und einseitige Festsetzung des Indikators durch die Bank auswirkt, haben sich drei Auffassungen herausgebildet: ein Teil bejaht eine Zinszahlungspflicht der Bank, wenn der negative Indikator größer als die Marge ist; eine andere verlangt mindestens die vereinbarte Marge (fixen Aufschlag) (dieser Ansicht folgten die Banken); eine vermittelnde Lösung vertritt, dass der Kreditgeber nicht zur Zinszahlung verpflichtet ist, der Aufschlag kann jedoch bei negativer Entwicklung des Indikators bis auf 0 gehen, d.h. bei einem Indikator von -0,73% und einer Marge von 1,5% hätte der Kreditnehmer nur 0,76 % Zinsen zu zahlen.
 
Der OGH schloss sich der vermittelnden Ansicht an. In allen Entscheidungen ging es um Fremdwährungskredite mit Verbrauchern.  Dabei stellten sich folgende Fragen:
 
1) Kann durch die negative Indikatoren-Entwicklung der Kreditgeber zur Zinszahlung für die Zurverfügungstellung der Valuta verpflichtet werden? Diese Frage wurde im Frühjahr vom OGH für den „Regelfall“ in den ersten Entscheidungen zum Thema Negativzinsen (10 Ob 13/17k [Verbandsverfahren]; 1 Ob 4/17w [Individualverfahren]) verneint: Eine Zinszahlungspflicht würde dem übereinstimmenden Parteiwillen (natürlichen Konsens) entgegenstehen: Weder Kreditgeber noch Kreditnehmer rechnen damit, beurteilt am Maßstab eines redlichen Erklärungsempfängers, Zahlungen vom Kreditgeber zu erhalten bzw. Zahlungen an den Kreditnehmer zu leisten. Ebenso werde das Symmetriegebot (§ 6 Abs 1 Z 5 KSchG) nicht verletzt, wonach bei Zinsgleitklauseln Untergrenzen für den Zinssatz erlaubt sind, wenn auch eine Obergrenze eingeführt wird, weil sich diese nur auf das Entgelt bezieht, das der Verbraucher zu zahlen habe.
 
2) Ist die einseitige Festsetzung des Indikators bis auf 0 oder in Form einer vorab vereinbarten Zinsgleitklausel bei negativer Indikatoren-Entwicklung gesetzeswidrig? Der OGH bejahte die 1. Variante in zwei Entscheidungen im Mai in einem Individual- (4 Ob 60/17b) und Verbandsverfahren (8 Ob 107/16t). Der OGH beruft sich auf den natürlichen Konsens, weil die Parteien eine ausdrückliche Regelung in Form der Zinsgleitklausel getroffen haben. Deshalb scheide eine ergänzende Vertragsauslegung aus. Durch die Bindung an den Indikator hätten die Parteien Schwankungen geregelt. Der Kreditnehmer sei erkennbar von einer symmetrischen Verteilung der Chancen und Risiken ausgegangen. Die einseitige Setzung des Indikators auf 0 verstoße gegen das bereits genannte Symmetriegebot iSd § 6 Abs 1 Z 5 KSchG. Eine Berufung der Banken auf die Unvorhersehbarkeit der Entwicklung des Referenzzinssatzes bei Abschluss der Kreditverträge scheiterte, weil sich die Vertragsteile auf das in dieser Klausel enthaltene aleatorische Element einigten. Die Reduktion der Zinsen (bis auf 0) stehe mit dem entgeltlichen Charakter des Kreditvertrags nicht in Widerspruch, weil der Kreditnehmer zumindest in den ersten Jahren des Vertragsverhältnisses Zinsen sowie andere Gebühren an die Bank habe zahlen müssen.
 
In zwei aktuellen Entscheidung im Juni (4 Ob 107/17i; 9 Ob 35/17p) wurde diese Ansicht auch für von vornherein vereinbarte Klauseln bestätigt: eine Klausel, die eine Entgeltsenkung mittels Zinsfloor begrenzt, ohne dass dem eine Begrenzung einer Entgeltsteigerung mittels Zinscap gegenübersteht, widerspreche dem Gebot der Anpassungssymmetrie. Auch die Argumentation der Bank bzgl. der wirtschaftlichen Folgen bietet keinen Anlass von dieser ständigen Judikatur abzuweichen (9 Ob 35/17p). Der OGH spricht nunmehr von einer gefestigten Rechtsprechung, wonach es unzulässig sei, dass die Bank die Marge als Untergrenze festlegt.
 
Folgen Kreditnehmer haben einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch iSd § 1431 ABGB in Bezug auf die zu viel bezahlten Zinsen, welche mit 4% nach § 1000 ABGB zu verzinsen sind. Dieser Anspruch verjährt in 3 Jahren (RS0117773).