Coronavirus: Auswirkungen von behördlichen Untersagungen auf Kulturveranstaltungen
Coronavirus: Auswirkungen von behördlichen Untersagungen auf Kulturveranstaltungen
Welche Auswirkungen hat eine behördliche Untersagung aufgrund der Coronavirus-Krise bei kulturellen Veranstaltungen? Was bedeutet dies für Werkverträge bzw. Dienstverträge mit Künstlern (Sänger, Musiker, Tänzer, Regisseure) oder für Mietverträge?
Basierend auf dem neuen Erlass „Erlass– Maßnahmen gegen das Zusammenströmen größerer Menschenmengen nach § 15 Epidemiegesetz“ der österreichischen Bundesregierung, ist davon auszugehen, dass nach und nach Verordnungen (abstrakter Adressatenkreis) und Bescheide (individualisierter Adressatenkreis) erlassen werden, welche die Abhaltung von Veranstaltungen untersagen. Auch sind Bestimmungen in den Veranstaltungsgesetzen der jeweiligen Bundesländer, welche die Möglichkeit einer behördlichen Untersagung von Veranstaltungen vorsehen zu beachten.
- Was wird unter dem Begriff „höhere Gewalt“ verstanden?
Die Rechtsprechung definiert höhere Gewalt als ein von außen her auf den Betrieb einwirkendes außergewöhnliches Ereignis, das nicht in einer gewissen Häufigkeit und Regelmäßigkeit vorkommt und zu erwarten ist und durch äußerste zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch in seinen Folgen unschädlich gemacht werden kann. Epidemien und Pandemien sind nach der herrschenden Meinung Fälle höherer Gewalt.
- Wie verhalte ich mich nun? Bin ich an meine vertraglichen Pflichten dennoch gebunden, wenn die Veranstaltung behördlich untersagt wird?
Die im Zusammenhang mit der anstehenden Veranstaltung abgeschlossenen Verträge bleiben trotz einer ausgebrochenen Epidemie grundsätzlich aufrecht. Dabei kann es sich um eine Vielzahl verschiedener Vertragstypen handeln: Je nach Dauer der Veranstaltung, kann es notwendig bzw. zweckmäßig sein, dass Mitarbeiter (wie z.B. technisches Personal, Reinigungskräfte, etc.) als Dienstnehmer angestellt werden; auch Werkverträge sind keine Seltenheit (z.B. mit Künstlern, Regisseuren, Fotografen, etc.); nicht zuletzt ist auch an einen Mietvertrag für den jeweiligen Veranstaltungsort zu denken.
Was gilt für die jeweiligen Vertragsparteien, wenn die Veranstaltung untersagt wird? Welche rechtlichen Folgen hat dies für die bereits abgeschlossenen Verträge?
Zunächst sind die konkreten Regelungen des jeweiligen Vertrages näher zu prüfen. In manchen Verträgen wurden ausdrückliche Vereinbarungen für Fälle der höheren Gewalt getroffen. Fehlt eine explizite Vereinbarung im Vertrag, sind die entsprechenden gesetzlichen Normen maßgeblich. In der österreichischen Rechtsordnung gilt der Grundsatz, dass ein Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen angepasst oder aufgelöst werden kann, wenn eine Aufrechterhaltung des Vertrags nicht mehr zumutbar ist (sog. außerordentliche Auflösungsmöglichkeiten).
Diesem Grundsatz folgend kann ein Vertrag von den Vertragsparteien beispielsweise wegen Fehlens / Wegfalles der Geschäftsgrundlage, eines als selbstverständlich vorausgesetzten Umstandes bzw. aufgrund der nachträglichen (rechtlichen oder faktischen) Unmöglichkeit der Vertragsausführung angepasst oder aufgelöst werden.
- Kann ich mir aussuchen, ob ich meine Verträge anpasse oder auflöse? Mit welchen rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen habe ich zu rechnen, wenn ich meine Vertragsbeziehungen wegen Eintritts höherer Gewalt auflöse?
Aus rechtlicher Sicht ist einer Vertragsanpassung gegenüber einer Vertragsauflösung nach Möglichkeit der Vorrang einzuräumen. Nicht immer wird sich eine Anpassung des Vertrages als möglich oder wirtschaftlich sinnvoll erweisen: dies wird beispielsweise dann nicht der Fall sein, wenn eine Vielzahl von Künstlern aus verschiedenen Ländern bereits eine lange Zeit zuvor für eine Veranstaltung gebucht wurden und derart ausgebucht sind, dass kein anderer Veranstaltungstermin mehr in Frage kommt.
Bestehen keine einzelvertraglichen Bestimmungen und Ist eine Anpassung nicht möglich, können Verträge aufgelöst werden. Bei Wegfall der Geschäftsgrundlage und nachträglicher Unmöglichkeit der Vertragserfüllung wirkt die Vertragsauflösung ab sofort(„ex nunc“). Die Rechtsfolgen treten also mit Eintritt der Umstandsänderung bzw. der Unmöglichkeit ein. Praktisch bedeutet dies, dass der jeweilige Vertrag zwar keine zukünftigen Vermögensverschiebungen mehr rechtfertigt, bisher Geleistetes allerdings nicht zurückzustellen und von der anderen Vertragspartei zu bezahlen ist. Kurz: wenn der Schauspieler weiter probt, obwohl das Vertragsverhältnis aufgelöst wurde, kann er hierfür zwar nicht auf Grundlage des Vertrages sein Probehonorar verlangen, sehr wohl aber für jene Proben, welche er bis zum Wegfall des Vertrages abgehalten hat. Hat der Schauspieler aber beispielsweise seine Bezahlung im Vorhinein erhalten, so kann ein entsprechender Teil des Entgeltes wieder zurückgefordert werden.
Das Ebengesagte gilt uneingeschränkt für Werkverträge. Hinsichtlich Mietverträge
besteht eine gesetzliche Sonderbestimmung, welche es ausdrücklich
ermöglicht, die Zahlung des Mietzinses unter gewissen Voraussetzungen
auszusetzen, wenn z.B. das Mietobjekt aufgrund einer Seuche faktisch
nicht mehr benutzbar ist. Es bestehen Gründe zur Annahme, dass auch Dienstverträge
aufgrund einer Epidemie aufgelöst werden könnten, doch ist dies weder
durch Gesetz noch durch die Rechtsprechung klar geregelt. Der OGH sprach
diesbezüglich Ende der 80er-Jahre beispielsweise aus, dass unter
gewissen Voraussetzungen bei Eintritt eines Elementarereignisses (ZB
Epidemien) die Entgeltfortzahlung ausgesetzt werden kann.
Wenden Sie sich für Fragen rund um das Thema „Coronavirus“, die über unsere Beiträge hinausgehen, gerne per Mail an uns via corona@bkp.at
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