Grundsätzlich ist im Strafgesetzbuch (StGB) bei der Begehung mehrerer Vergehen oder Verbrechen nur eine einheitliche Strafe zu verhängen, es gilt das sog. „Absorptionsprinzip“. Anderes gilt jedoch im Finanzstrafrecht, dort gilt das sog. „Kumulationsprinzip“. Fällt daher eine strafbare Handlung sowohl unter das allgemeine Strafrecht als auch unter das Finanzstrafrecht (FinStrG), sind grundsätzlich zwei Strafen zu verhängen. Der Ausspruch einer einheitlichen Strafe führt sogar zur Nichtigkeit des Strafverfahrens. Dem gegenüber steht der Grundsatz des sog. „Doppelbestrafungsverbots“ im österreichischen Strafrecht (lat. „ne bis in idem“) , wonach die Verhängung einer weiteren Strafe wegen einer bereits abgeurteilten Tat verboten ist.
Das Verbot bezieht sich dabei auf die erneute Verurteilung von historischen Lebenssachverhalten, also einer einheitlichen Handlung. Ob derselbe historische Lebenssachverhalt vorliegt, ist nach Tatzeit, Tatort, Gegenstand der Tat, Tathandlung, Täter, Tatopfer sowie verursachtem oder beabsichtigtem Erfolg zu beurteilen. Dabei darf ein Komplex von Tatsachen, die ihrer Natur nach unlösbar miteinander verbunden sind und in räumlicher und zeitlicher Hinsicht übereinstimmen, nicht in künstlich voneinander getrennte Handlungen aufgeteilt werden.
Beispielweise kann der Täter durch ein und dieselbe Handlung, indem er bei seiner Steuererklärung unrichtige Angaben macht, den Tatbestand des Betrugs nach dem StGB und den Tatbestand der Abgabenhinterziehung nach dem FinStrG erfüllen. In diesem Fall ist jeweils eine Strafe nach dem StGB und eine Strafe nach dem FinStrG zu verhängen. Im Ergebnis werden daher in einem Strafverfahren zwei Strafen verhängt. Einer erneuten Bestrafung des Täters steht das Hindernis des Doppelbestrafungsverbots entgegen. Fraglich ist nur, was geschieht, wenn in einem ersten eigenständigen Strafverfahren lediglich über den Betrug entschieden wurde und in einem weiteren zweiten Strafverfahren nun über die Abgabenhinterziehung entschieden werden soll.
Der OGH löst dieses Problem anhand der sog. Ideal- bzw. Realkonkurrenzen von strafbaren Handlungen. Bei der „Idealkonkurrenz“ begeht der Täter durch eine einzige Handlung eine Mehrheit von strafbaren Handlungen. „Realkonkurrenz“ liegt hingegen vor, wenn jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere strafbare Handlungen setzt. Bei Vorliegen von Idealkonkurrenz ist die zweifache Verfolgung und Bestrafung einer gerichtlich strafbaren Handlung, unter einem Strafbestand des StGB und eines Strafbestands des FinStrG, unzulässig.
So bejahte der OGH beispielsweise einen Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot, wenn die bei einem Raub in der Schweiz erbeuteten Uhren von Serbien nach Wien gebracht werden. Bei der Einfuhr der Uhren nach Österreich zahlte der Täter keinen Zoll. Es ergingen zwei Urteile, in welchen jeweils über das Vergehen der Hehlerei (§ 164 StGB) und des Finanzvergehens des Schmuggels (§ 35 FinStrG) abgeurteilt wurde. Der OGH stellte klar, dass durch die Ausführungshandlung, nämlich die Autofahrt unter Mitnahme der Uhren, sowohl der Tatbestand der Hehlerei nach § 164 StGB als auch der Tatbestand des Schmuggels gemäß § 35 FinStrG erfüllt ist. Sohin lag den Entscheidungen nur eine Handlung zugrunde, und es wurden keine weiteren Handlungen gesetzt. Eine weitere Bestrafung des Täters scheiterte.
Anders beurteilte der OGH jedoch die Situation bei Vorliegen von Realkonkurrenz. In einer weiteren Entscheidung, in welcher eine Filialleiterin einer Bank durch Gewährung überhöhter Sparzinsen an Kunden, Reduzierung von Kreditraten sowie diverser weiterer Handlungen eine Abgabenverkürzung bewirkte (§ 33 FinStrG), wurde die Täterin zuvor bereits in einem anderen Strafverfahren wegen des Verbrechens der Untreue (§ 153 StGB) verurteilt. Der OGH ging in diesem Verfahren vom Vorliegen zweier strafbarer Handlungen aus, weil zur Untreuehandlung, die Gewährung der überhöhten Sparzinsen, weitere Tathandlungen hinzutraten. Eine gesonderte Verfolgung in einem weiteren gerichtlichen Strafverfahren nach dem FinStrG war demnach möglich.
Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot stets dann vorliegt, wenn der Täter nur eine Handlung setzt. Treten zu dieser Handlung jedoch weitere, wie das Ausfüllen einer falschen Steuererklärung hinzu, hat der Täter zwei Handlungen gesetzt, die sich zeitlich und räumlich voneinander abgrenzen lassen. Diesfalls kann der Täter dennoch gesondert wegen eines Finanzvergehens verfolgt werden.