Stärkung des Verbraucherschutzes durch Umsetzung der EU-Verbandsklagen-Richtlinie 2020/1828/EU
Stärkung des Verbraucherschutzes durch Umsetzung der EU-Verbandsklagen-Richtlinie 2020/1828/EU
Mit der seit 18.7.2024 in Kraft getretenen Novelle zu mehreren Gesetzen (VRUN) wurde die EU-Verbandsklagen-Richtlinie (EU) 2020/1828 in österreichisches Recht umgesetzt. Diese ermöglicht bestimmten Verbraucherschutzeinrichtungen („qualifizierte Einrichtung“) Verbandsklagen gegen Unternehmen auf Unterlassung sowie Abhilfe, wie etwa Schadenersatz oder Gewährleistung, einzubringen. Der Beitritt von Verbrauchern zu einer solchen Verbandsklage soll dadurch niederschwelliger, insbesondere durch deutlich geringeren (finanziellen) Aufwand möglich sein, als eine individuelle Klagsführung.
Zum Qualifizierte-Einrichtungen-Gesetz – QEG
Für solche Verbandsklagen können jene Vereine oder andere juristische Personen als qualifizierte Einrichtung anerkannt werden, welche seit mindestens zwölf Monaten öffentlich im Verbraucherschutz tätig sind und keinen Erwerbszweck verfolgen. Diese qualifizierten Einrichtungen müssen unabhängig und frei von wirtschaftlichen Interessen Dritter sein, um potenzielle Interessenkonflikte zu vermeiden. Die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) und der Verein für Konsumenteninformation (VKI) sind – neben weiteren im QEG angeführten juristischen Personen – gesetzlich anerkannte qualifizierte Einrichtungen.
Unterlassungs- und Abhilfeansprüche im Fokus
Nunmehr können also von einer qualifizierten Einrichtung mittels Klage Unterlassungsansprüche mehrerer Verbraucher gegen ein Unternehmen erhoben werden, mit der Behauptung, dass Handlungen eines Unternehmens geeignet seien kollektive Verbraucherinteressen zu beeinträchtigen. Dabei ist es irrelevant, ob durch diese Handlungen ein Schaden für einzelne Verbraucher verursacht wurde.
Sofern in der Klage behauptete wird, dass ein Unternehmen durch ähnlich gelagerte Sachverhalt Schäden bei zumindest 50 Verbrauchern verursacht hat, kann eine qualifizierte Einrichtung im Rahmen einer Verbandsklage auch Abhilfe gegen das Unternehmen verlangen und z.B. Schadenersatzansprüche oder Gewährleistung durch das Unternehmen begehren.
Ein wesentlicher Vorteil für Verbraucher ist in diesem Zusammenhang die ausdrücklich ermöglichte Drittfinanzierung von Verbandsklagen (z.B. durch Prozessfinanzierer), welche in der Vergangenheit immer bekämpft wurde. Dabei dürfen Drittfinanzierer weder in Konkurrenz zu noch in Abhängigkeit von dem beklagten Unternehmen stehen. Zusätzlich ist die Beitrittsgebühr zu einer Verbandsklage für Verbraucher begrenzt: Sie darf maximal 20 % der für diesen Verbraucher geltend gemachten Anspruchssumme betragen und den Maximalbetrag von EUR 250,00 nicht überschreiten.
Verfahrensrechtliche Neuerungen
Die Zuständigkeit für derartige Klagen liegt nun einheitlich beim Handelsgericht Wien, was zu einer Spezialisierung und effizienten Abwicklung der Verfahren sowie zu einer einheitlicheren Rechtsprechung führen soll.
Während des Verfahrens einer solchen Verbandsklage ist zusätzlich die Verjährung der Ansprüche beigetretener Verbraucher gehemmt, um diesen Verbrauchern mehr Zeit einzuräumen, ihre Ansprüche nach rechtskräftiger Erledigung der Verbandsklage – ob durch individuelle Klage oder mittels Beitritts zu einem weiteren Verbandsklageverfahren auf Abhilfe – durchzusetzen.
Zudem kann die obsiegende Partei – zusätzlich zum bisherigen Prozesskostenersatz – bei Vorliegen eines berechtigten Interesses die Veröffentlichung der Entscheidung auf Kosten der unterlegenen Partei verlangen.
Vorteile für Unternehmen
Die Umsetzung der Verbandsklagen-Richtlinie 2020/1828/EU bietet nicht nur Vorteile für Verbraucher, sondern auch einige Vorteile für Unternehmen. Einerseits kann zwar die Hemmung der Verjährungsfristen für Unternehmen die Unsicherheitsphase verlängern und zu einer längeren Aufbewahrungspflicht von Unterlagen führen, um in einem etwaigen späteren Verfahren nicht in Beweisnot zu geraten. Andererseits wurde jedoch die Zuständigkeit für Verbandsklagen zentralisiert und die Transparenz gerichtlicher Entscheidungen wesentlich erhöht, was zu einer einheitliche(re)n Rechtsprechung und somit zu mehr Rechtssicherheit für Unternehmen führen kann.
Beispielsweise in Bereichen wie dem Glückspielrecht, den Fluggastrechten sowie dem Versicherungs- und Telekommunikationsrecht sahen sich österreichische Unternehmen – und dadurch auch die Gerichte – wiederholt mit einer Flut von Klagen und Verfahren konfrontiert, die oftmals gleichartige Sachverhalt behandelten. Dies resultierte letztlich in teils unterschiedlichen Entscheidungen von Untergerichten beim Vorliegen gleicher oder ähnlicher Sachverhalte, bis der OGH klarstellend eingriff. Bei geringeren (individuellen) Streitsummen blieb der Weg zum OGH sogar verwehrt, obwohl sich hinter einzelnen (geringeren) Beträgen bei gesamtheitlicher Betrachtung erhebliche Gesamtsummen verbargen. Zieht man beispielsweise die Ausgleichsansprüche von 100 bis 200 Fluggästen eines einzigen (annullierten) Langstreckenfluges zu je EUR 600,00 heran, blieb der Weg zum OGH aufgrund der einzelnen geringen (Klags-)Beträge bisher verwehrt, obwohl das Luftfahrtunternehmen im Ergebnis in Summe allenfalls EUR 60.000,00 bis EUR 120.000,00 zu bezahlen hätte. Für das Unternehmen führte diese Art der Prozessführung zu erheblichen Verfahrenskosten bei gleichzeitiger Rechtsunsicherheit aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Ausgänge bei identen Sachverhalten. Die Bündelung von Verfahren kann durch die Konzentration zahlreicher Ansprüche in einer wesentlichen Reduktion der Prozesskosten für Unternehmen gegenüber der sonstigen Zersplitterung und Führung vieler Einzelverfahren resultieren – wie dies auch schon in den letzten Jahren durch das – wenn auch kompliziertere – „Vehikel“ der „Sammelklage österreichischer Prägung“ vorgezeigt wurde.
Die Zentralisierung der (Zuständigkeit für) Verbandsklagen führt sohin im Ergebnis nicht nur zu einer Entlastung der Gerichte, sondern bietet Unternehmen die Möglichkeit, von einer gesteigerten Rechtssicherheit zu profitieren und eine schnellere Abwicklung einer größeren Anzahl von behaupteten Ansprüchen unter Anwendung geringerer Ressourcen zu erreichen.