Bei vorübergehenden grenzüberschreitenden Tätigkeiten von ausländischen Arbeitnehmern in Österreich muss anfangs die Frage geklärt werden, ob es sich bei der konkreten Tätigkeit um eine Entsendung oder aber um eine Überlassung der Arbeitskraft handelt. Entscheidend ist diese zuvor erwähnte Unterscheidung etwa schon deshalb, da auf Arbeitskräfteüberlassungen - im Gegensatz zu Entsendungen – neben der Entsendungsrichtlinie auch das (strengere) österreichische Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (“AÜG“) anwendbar ist.
Wann liegt nun aber eine solche grenzüberschreitende Entsendung, wann eine grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung vor?
Eine Entsendung wird dann angenommen, wenn ein (ausländischer) Arbeitgeber ohne Betriebssitz in Österreich seine (ausländischen) Mitarbeiter vorübergehend zum Zweck der Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung (etwa eines mit einem österreichischen Unternehmen abgeschlossenen Werkvertrages) in Österreich einsetzt. Hingegen liegt eine Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich dann vor, wenn (ausländische) Arbeitskräfte einem (österreichischen) Unternehmen zum Zwecke (lediglich) der Überlassung an dieses Unternehmen zur Verfügung gestellt werden.
Zu dieser Abgrenzung hält auch das ÄUG fest, dass für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt (oder eben nicht), der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend ist. Als Orientierungshilfe zur Verhinderung von Umgehungen (typischerweise mit Werkverträgen) dieser auslegungsfähigen Formulierung (“wahre wirtschaftliche Gehalt“) hält das AÜG idZ ergänzend fest, dass die Überlassung von Arbeitskräften insbesondere auch vorliegt, wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber
i. kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes, unterscheidbares und dem Werkunternehmer zurechenbares Werk herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken, oder
ii. die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers leisten, oder
iii. organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen, oder
iv. der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der Werkleistung haftet.
Der Verwaltungsgerichtshof (“VwGH“) vertrat dazu bisher aufgrund des Gesetzeswortlauts (“oder“) sowie auch wegen der in diesem Zusammenhang erfolgten Gesetzeserläuterungen (“ein für den Werkvertrag, typisches oder völlig untypischen Merkmal“) die Ansicht, dass bei Erfüllung eines einzigen dieser zuvor aufgezählten Tatbestandmerkmale (demnach eines der Merkmale i. bis iv.) jedenfalls dem wirtschaftlichen Gehalt nach eine Arbeitskräfteüberlassung iSd AÜG vorliegt (und keine Entsendung). Eine weitere Prüfung könne diesfalls unterbleiben. Einer solchen Prüfung bedürfe es vielmehr nur dann, wenn durch den Sachverhalt keines der vier Tatbestandmerkmale zur Gänze erfüllt sei.
Diese Rechtsansicht hat der VwGH nunmehr allerdings unter Anlehnung an eine zu diesem Themengebiet im Jahr 2015 ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (RS Martin Meat; C-586/13) abgeändert: Demzufolge reicht es nunmehr laut VwGH (Ra 2017/11/0068) für die Annahme einer Arbeitskräfteüberlassung iSd AÜG nicht mehr aus, dass nur eines der vier Tatbestandmerkmale erfüllt ist. Vielmehr muss iS einer Gesamtbeurteilung der wahre wirtschaftliche Gehalt des konkreten Sachverhaltes unter Berücksichtigung aller verfügbaren Anhaltspunkte dieses Sachverhalts (etwa iZm der Abhängigkeit der Vergütung von der Qualität der Leistung; Folgen der mangelhaften Leistung; Bestimmbarkeit der Anzahl der einzusetzenden Arbeitnehmer; Weisungs- und Kontrollbefugnis) abschließend eruiert und geprüft werden. Lediglich der im gegenständlichen Fall von den Vorgerichten festgestellte Umstand, dass Arbeiten nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers geleistet wurden (ii.), reichte für die Annahme einer Arbeitskräfteüberlassung iSd AÜG demnach nicht (mehr) aus.