Geschützte Herkunftsbezeichnungen - bald auch für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse möglich
Geschützte Herkunftsbezeichnungen - bald auch für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse möglich
Geografische Bezeichnungen sind nur in Ausnahmefällen als Marken eintragungsfähig und damit für einen Einzelnen monopolisierbar. Dies wäre nach der Rechtsprechung beispielsweise dann der Fall, wenn die Bezeichnung ausschließlich oder doch so überwiegend den Charakter einer Fantasiebezeichnung hat, hinter welcher die geografische Bedeutung ganz zurücktritt. Möglich ist das etwa bei kleinen und weniger bekannten Orten, die weder historisch noch kulturell oder wirtschaftlich aufgrund ihrer Naturverhältnisse Bedeutung haben. Dementsprechend hat das Oberlandesgericht Wien in einer kürzlich ergangenen Entscheidung (33 R 103/23v) die begehrte Registrierung von „Kahlenberg, das beliebteste Wasser der Welt“ und von „Kahlenberg Run International“ als Marken verweigert. Der Kahlenberg ist, wie das OLG Wien festhielt, ein beliebtes Ausflugsziel, dem noch dazu historische Bedeutung zukommt.
Allerdings können geografische Bezeichnungen auch bei entsprechender Bedeutung Schutz in anderer Form – allerdings ohne Monopolisierung für einen einzelnen Rechteinhaber – genießen, nämlich als „geografische Ursprungsbezeichnung“ und „geografische Angabe“:
Dabei geht es um die Bezeichnung von Produkten, deren Ursprung in einem bestimmten Gebiet liegt und deren überwiegende Eigenschaften den geografischen Verhältnissen zu verdanken sind. Bei Ursprungsbezeichnungen müssen zusätzlich sämtliche Produktionsschritte in dem abgegrenzten Gebiet erfolgen, während es bei geografischen Angaben genügt, dass wenigstens einer der Produktionsschritte in dem Gebiet stattfindet. EU-weit geschützte Bezeichnungen sind im sog „eAmbrosia-Register“ einsehbar. Nach Schutzgewährung dürfen nur Produkte, die den jeweiligen Spezifikationen entsprechend hergestellt wurden, die geschützte Bezeichnung führen. Damit soll auch der Verbraucher geschützt werden, indem er nicht aufgrund einer unberechtigten Führung der geschützten Bezeichnung über die wesentlichen Eigenschaften eines Produkts und dessen Qualität getäuscht wird.
Bisher können geografische Angaben lediglich für landwirtschaftliche Erzeugnisse, nämlich Weine, Spirituosen, Lebensmittel und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse geschützt werden: Den Schutz geografischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen von bestimmten Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln regelt die EU-Verordnung Nr 1151/2012; jenen von Spirituosen die EU-Verordnung Nr 2019/787. Hingegen werden „aromatisierte Weine und Weinbauerzeugnisse“, zu denen zB auch Champagner zählt, eigens durch die EU-Verordnung Nr 1308/2013 geschützt. Ende 2023 ist zudem die EU-Verordnung Nr 2023/2411 in Kraft getreten, mit der geografische Angaben nun auch für handwerkliche und industrielle Waren geschützt werden können Das neue Schutzsystem für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse gilt ab 1. Dezember 2025. Dann wird es möglich sein, auch Herkunftsangaben wie zB Gmundner Keramik oder böhmisches Glas schützen zu lassen.
Schutzumfang
Der Schutz umfasst nicht nur die direkte oder indirekte kommerzielle Verwendung der geschützten Bezeichnung durch vergleichbare Erzeugnisse, die den geschützten Produktspezifikationen nicht entsprechen oder die durch die Verwendung der Bezeichnung deren Ansehen ausnutzen, sondern verbietet auch jegliche widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung sowie falsche oder irreführende Angaben über Herkunft, Ursprung, Natur oder wesentliche Eigenschaften des Produkts. Dies betrifft sowohl die Aufmachung und äußere Verpackung als auch Werbematerialien und Unterlagen. Das gilt auch für Übersetzungen der geschützten Bezeichnung.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat den Schutzbereich für geografischen Bezeichnungen in mehreren Urteilen konkretisiert bzw erweitert. So ist zB eine Anspielung bereits dann gegeben, wenn ein Verbraucher veranlasst wird, einen gedanklichen Bezug zu einem Produkt herzustellen, das eine geschützte Bezeichnung trägt (EuGH C-44/17 „Scotch Whiskey“). Außerdem hat der EuGH klargestellt, dass nicht nur die Verwendung der Bezeichnung geschützt ist, sondern auch das charakteristische Erscheinungsbild eines Produkts, das den Verbraucher dazu verleitet, anzunehmen, dass es von der geschützten Bezeichnung erfasst wird (EuGH C-490/19 „Morbier“). Darüber hinaus wurde der Schutz von geografischen Ursprungsbezeichnungen auch auf Dienstleistungen ausgeweitet (EuGH C-783/19 „Champanillo“). Nach dem EuGH liegt ferner keine Ausnutzung des Ansehens der geschützten Bezeichnung vor, wenn das mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung gekennzeichnete Produkt zwar selbst nicht den jeweiligen Produktspezifikationen entspricht, allerdings eine den Produktspezifikationen entsprechende Zutat enthält und diese Zutat dem Produkt den für die geschützte Bezeichnung charakteristischen Geschmack verleiht (EuGH C-393/16 „Champagner Sorbet“).
Geschützte Herkunftsbezeichnungen aus Österreich
Aus Österreich sind aktuell 36 geschützte Ursprungsbezeichnungen, neun geschützte geografische Angaben sowie zehn geografische Angaben für Spirituosen im eAmbrosia-Register registriert.
Ein Beispiel für eine geschützte geographische Angabe aus Österreich ist der Tiroler Speck. Mangels Kühlmöglichkeit für Frischfleisch wurde in der bäuerlich geprägten Berglandschaft Tirols die Speckherstellung zur Konservierung von Fleisch entwickelt. Dieses Wissen wurde über viele Generationen auf die Nachkommen übertragen und bildet die Grundlage für die heutige Herstellung von Tiroler Speck. Entsprechend den festgelegten Spezifikationen dürfen zB nur bestimmte entbeinte Teilstücke des Schweins verwendet werden und es sind bestimmte Temperaturen bei der Pökelung und Lagerung einzuhalten.
Ein weiteres Beispiel für eine österreichische geschützte geografische Angabe ist das Steirische Kürbiskernöl. Um ein Produkt Steirisches Kürbiskernöl nennen zu dürfen, sind gewisse Spezifikationen einzuhalten: Zunächst dürfen nur Kerne des steirischen Ölkürbisses („Cucurbita pepo var. styriaca“) verwendet werden, der durch die feuchtwarme Witterung in der Steiermark erst im Herbst reift und so einen hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren erreicht. Obwohl der Anbau und das traditionelle Pressverfahren ursprünglich ausschließlich in der Steiermark erfolgten, ist nach den Spezifikationen heutzutage der Anbau bzw die Pressung auch an bestimmten anderen Orten (va im Weinviertel und/oder im südlichen Burgenland) zulässig. Schließlich muss Steirisches Kürbiskernöl zu 100% aus der Erstpressung stammen.
Die Wachauer Marille ist hingegen ein Beispiel für eine österreichische geschützte Ursprungsbezeichnung. Die spezielle Aroma- und Geschmacksausbildung der Wachauer Marille entsteht durch das Zusammentreffen mehrerer Klimate (Pannonisch – Waldviertler Einfluss – sowie die unmittelbare Nähe zur Donau) und die damit verbundenen großen Unterschiede zwischen der Tag- und Nachttemperatur, vor allem zur Reife hin. Daneben ist auch die über 100 Jahre alte Anbautradition von besonderer Bedeutung.
Das weltweit jedoch wohl bekannteste und auch älteste Beispiel für eine geografische Ursprungsbezeichnung ist „Champagne“.
Champagner
Seit 1936 ist die Verwendung die Ursprungsbezeichnung „Champagne“ bzw „Champagner“ nach französischem Recht geschützt. 1973 wurde „Champagne“ als geschützte Ursprungsbezeichnung registriert und umfasst ein 34.000 Hektar großes Gebiet, etwa 150 Kilometer östlich von Paris. Die geografischen Besonderheiten sind insbesondere der Untergrund mit einer natürlichen Drainagewirkung und die hügelige Landschaft, die eine optimale Nutzung der Sonneneinstrahlung ermöglicht.
Das Luxusimage von „Champagner“ hat sich über Jahrhunderte geformt: Bereits bei den Königskrönungen in Reims wurde Champagner getrunken, weshalb Champagner auch als „Wein der Könige“ bezeichnet wird. Heutzutage werden mit Champagner verschiedenste besondere Ereignisse gefeiert, einschließlich sportlicher Erfolge (zB „Champagnerdusche“ in der Formel 1). Die (wirtschaftliche) Bedeutung von Champagner spiegelt sich auch in Zahlen wider: So wurden zB im Jahr 2022 weltweit über 350 Millionen Champagnerflaschen verkauft.
Zum Schutz der Ursprungsbezeichnung und zur Sicherung der Qualität der Produkte wurde 1941 das „Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne" (CIVC) gegründet, ein Verein, der in und außerhalb von Frankreich die Interessen der Winzer und Champagnerhäuser vertritt. Unsere Kanzlei ist eine von derzeit 70 Rechtsanwaltskanzleien weltweit, die im Auftrag des CIVC gegen unberechtigte Nutzungen der Ursprungsbezeichnung vorgehen und zu deren Schutz beitragen. Die Bezeichnung "Champagne" ist in mehr als 120 Ländern geschützt, und jedes Jahr werden weltweit knapp 500 Fälle unberechtigter Benutzung der Bezeichnung „Champagne“ rechtlich verfolgt.
Fazit
Geografische Herkunftsbezeichnungen können nur unter engen Voraussetzungen Schutz genießen. Bisher war dieser Schutz auf landwirtschaftliche Erzeugnisse beschränkt, eine neue EU-Verordnung erweitert den Schutz auch auf nichtlandwirtschaftliche Produkte.